Bogen. In ganz Niederbayern gibt es 20 ILE-Zusammenschlüsse (Integrierte Ländliche Entwicklung), die sich zwar jeweils in ihrer Region regelmäßig treffen, doch selten alle gemeinsam austauschen können. Deshalb veranstaltete das Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern kürzlich im Kulturforum Oberalteich ein Netzwerktreffen für alle ILE-Zusammenschlüsse in Niederbayern, bei dem verschiedene Referenten Impulse für die Zukunft geben sollten.
Mehrere Referenten stellten das Motto „Vorleben statt vorgeben“ sowie eine stärkere Bürgerbeteiligung in der Regionalentwicklung ins Zentrum ihres Vortrags. So etwa der Altbürgermeister der österreichischen Gemeinde Steinbach an der Steyr, Karl Sieghartsleitner. Er hatte aus seiner in Not geratenen Gemeinde nach und nach ein internationales Musterbeispiel für Regionalentwicklung gemacht. Das Potential der Menschen vor Ort erkennen, ihnen das Gefühl geben, dass sie gebraucht werden, sie aktiv miteinbeziehen in die Entwicklung der Gemeinde, den Ideen anderer Raum zur Entfaltung geben – all das waren seine Zutaten für den außergewöhnlich erfolgreichen „Steinbacher Weg“. Denn Menschen, die persönlich und in ihrer Arbeit wertgeschätzt werden, entfalten viel Energie zum Wohle der Gemeinschaft. „Eigentlich war’s ganz leicht“, meinte der Referent zuletzt.
Auch Gerhard Peham, Geschäftsführer von „die Schatzsucher“, appellierte an die rund 60 anwesenden Bürgermeister, wie erfolgreiche Unternehmen zu agieren und verborgene Potentiale in der Bevölkerung zu heben. Die allermeisten Menschen würden sich vor allem aus einem Gefühl von Angst und Ohnmacht heraus zurückziehen und sich nicht engagieren. Diese könnte man jedoch für eine Mitarbeit gewinnen, wenn man ihnen konkrete Projekte vorschlage, die Sinn machen, ein Wir-Gefühl auslösen und sie dafür Wertschätzung erfahren.
Der Vortrag des niederbayerischen Bezirkstagspräsidenten und Bürgermeisters der Stadt Freyung, Dr. Olaf Heinrich, ging ebenfalls in diese Richtung. Er umriss zunächst die Entwicklung seiner Stadt in den vergangenen zehn Jahren, die dank des Engagements und der Investitionen von Bürgern in ihre Heimat äußerst positiv verlaufen ist. „Wir haben als Bürgermeister die Chance, einen Prozess in Gang zu setzen“, so Heinrich. Und dies bedeute, sich nicht von Projekt zu Projekt zu hangeln, sondern alles unter ein Gesamtkonzept zu stellen. Inspiriert von Josef Ober aus dem Steirischen Vulkanland, der in seinem Buch „Politik der Inwertsetzung“ viele neue Denkanstöße gibt, ist auch Heinrich davon überzeugt, dass die Herausforderungen der Zukunft „nicht allein mit dem Geldbeutel“ zu lösen sind. „Wir dürfen uns nicht mehr nur über unsere Investitionen definieren, sondern sollten vielmehr die Lebensqualität ins Zentrum rücken.“ Dazu gehöre auch, dass der Bürger das Bestehende mehr wertschätze, ein Gemeinschaftsgefühl in den Dörfern und Städte zurückkehre, das letztendlich viel glücklicher mache als das Materielle – sozusagen eine „geistige Regionalentwicklung“. Denn während zwar der Wohlstand insgesamt stetig angestiegen ist, gehe gleichzeitig viel Spirituelles und Seelisches verloren. Objektiv gehe es vielen Menschen gut, dennoch seien sie nicht zufrieden. Die zunehmende Individualisierung und das Delegieren von Verantwortung („Ich weiß zwar wie es besser gehen würde, machen sollen es aber die anderen“) würden diesen Trend noch verstärken.
„Die Heimat ist ein Ort, wo Bewusstseinsbildung beginnen muss“, hob er hervor. Und mehr Bewusstsein für die Vorteile des ländlichen Raums zu schaffen, sei notwendig, um mit den Metropolregionen langfristig mithalten zu können. „Wenn wir von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land sprechen, dann heißt das nicht, dass wir gleich sein sollen, sondern dass wir die gleichen Chancen haben sollen. Wir sind anders als die Ballungszentren, haben aber ebenfalls Strukturen, die sehr wertvoll sind.“ Die Menschen auf dem Land sind noch verwurzelt mit ihrer Heimat – eine Chance für die Politiker, sie mitzunehmen und für ein Engagement zu begeistern.
Ein weiteres Thema des Treffens war der Einsatz von sozialen Netzwerken in der Gemeindepolitik, den Philipp Ehrenberger von der Firma „bildschnitt tv“ den Bürgermeistern ans Herz legte. In der abschließenden Diskussionsrunde wurde zudem über Wegebaumaßnahmen gesprochen. Während die Kommunalpolitiker den bürokratischen Aufwand für Förderanträge kritisierten, machte Maximilian Geierhos vom bayerischen Forstministerium deutlich, dass die Gelder gar nicht vollständig verbaut werden könnten, da die Gemeinden die notwendigen Grundstücke nicht vorhalten würden. „Auch die Gemeinden sind in der Pflicht, gute Konzepte für Wegenetze zu erstellen.“