„In der Forensik gibt es nur wenige hoffnungslose Fälle“

Der neue stellvertretende ärztliche Direktor Dr. David Janele über seine Arbeit am BKH Straubing und spezielle Herausforderungen durch Corona

Straubing. „Das Thema Corona nimmt derzeit einen beträchtlichen Teil unserer Arbeitszeit in Anspruch“, sagt Dr. David Janele. Seit Februar ist der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie stellvertretender Leiter des Bezirkskrankenhauses (BKH) Straubing. Zusammen mit dem neuen ärztlichen Direktor PD Dr. Joachim Nitschke bildet er die medizinische  Doppelspitze der Krankenhausleitung und koordiniert die Umstrukturierung der Einrichtung. Nach einer Entscheidung des Bayerischen Sozialministeriums verliert die forensische Klinik ihren Sonderstatus. Bislang waren im Bezirkskrankenhaus Straubing besonders gefährliche, über einen längeren Zeitraum nicht zu lockernde Patienten aus ganz Bayern untergebracht. Im Zuge der Reform wird das BKH den übrigen 13 Forensiken im Freistaat gleichgestellt. Dies bedeutet, dass in der Gäubodenstadt ausschließlich Patienten aus dem Regierungsbezirk Niederbayern aufgenommen werden. Zudem wird es künftig auch Lockerungen für die Patienten im sogenannten Maßregelvollzug geben. Der Auftrag wird neben der Sicherung auch die weiterführende Therapie und letztlich die Resozialisierung psychisch kranker und suchtkranker Straftäter umfassen. Hierzu muss sehr viel umstrukturiert werden, viele Therapien müssen neu eingeführt, die Mitarbeiter geschult werden.

Janele liebt Herausforderungen und überraschende Weichenstellungen sind Teil seiner beruflichen Vita. Eigentlich wollte der gebürtige Regensburger nach dem Abitur und bewilligtem Hochbegabtenstipendium des Freistaats Bayern Biochemie studieren und Naturwissenschaftler werden. Doch er verschlief den Einschreibetermin. Weil er sich „rein prophylaktisch“, wie er berichtet, auch für Medizin eingeschrieben hatte, machte er das am Tag darauf perfekt und wollte sodann ein „richtiger Arzt, am besten Internist“ werden. Auch bei der Psychiatrie landete er mehr oder weniger per Zufall. Er hatte von anderen gehört, „dass man in der Anästhesie im Praktischen Jahr wenig tun darf“, und so entschied er sich um, um die Psychiatrie in Regensburg und am Royal Melbourne Hospital kennenzulernen. Er war begeistert von den guten Arbeitsbedingungen, die r dort vorfand. „Wir konnten uns ausgiebig mit der Geschichte der Patienten beschäftigen und uns auch viel mehr Zeit für sie nehmen als in der somatischen Medizin.“ Schnell wurde ihm klar, dass er diesen Weg weitergehen wollte.

Den Oberpfälzer faszinieren Lebensgeschichten

Am Bezirksklinikum Regensburg wurde er zu einem „richtigen Psychiater mit allem, was dazu gehört“, wie Janele sagt: unter anderem mit Weiterbildungen in der Suchtmedizin, Allgemeinpsychiatrie, Gerontopsychiatrie, Neurologie und neurologischen Reha, Stationen in der Aufnahme, Krisenbewältigung und Resozialisierung sowie in der forensischen Ambulanz. Auch das Interesse an der Forensik war einem Zufall geschuldet. Ein ehemaliger Kollege empfahl ihm, sich diesen Bereich einmal anzuschauen. Mit Erfolg – die Wirkung war nachhaltig. Janele stellte fest, „dass die Forensik ein ganz tolles, spannendes Aufgabengebiet ist“ und blieb gleich da – zuletzt als Oberarzt an der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, medbo, beim Bezirksklinikum Regensburg.

Aber warum ist die Forensik so interessant? „Das werde ich oft gefragt“, sagt Janele, „Dass man Psychiater wird, kann man sich als Laie vielleicht gerade noch vorstellen, weniger aber warum sich jemand freiwillig mit der Betreuung und Begutachtung von psychisch kranken Straftätern befasst.“ Den Oberpfälzer faszinieren Lebensgeschichten, Persönlichkeitsentwicklungen und er möchte gerade Menschen, die im psychischen Ausnahmezustand oder unter Drogeneinfluss eine Straftat begangen haben, dabei helfen, ihre Krankheit in den Griff zu bekommen und vielleicht sogar wieder ein „normales“ Leben zu führen. Dass die Arbeit so komplex ist wie die menschliche Seele, mit Rückschlägen behaftet und bei weitem nicht immer erfolgreich, liegt auf der Hand. Doch kleine und größere Erfolgserlebnisse tragen den Arzt. Sein Credo lautet: „In der Forensik gibt es nur wenige hoffnungslose Fälle.“ Über allem steht irgendwo immer die Frage nach der Motivation, warum manche Menschen bestimmte Dinge in bestimmten Situationen tun.

Keine Angst, aber erhöhte Wachsamkeit

Hinter hohen Mauern und Stacheldrähten eingesperrt zu sein, bedeutet für Dr. David Janele kein Problem. „Eigentlich arbeiten wir Forensiker unter diesen Bedingungen geschützter und sicherer als andere Psychiater“, sagt er. „Zwölf Jahre hinter vergitterten Fenstern und abgesperrten Fenstern“, sagt Janele, „für mich ist das schnell zur Routine geworden und ich merke das gar nicht mehr“. Zudem sei die Aufenthaltsdauer der Patienten in der Forensik wesentlich länger als in den herkömmlichen Psychiatrien und man baue eine intensivere Beziehung zu den Patienten auf. Man lerne sie – soweit möglich – einzuschätzen. Im Inneren einer forensischen Einrichtung gebe es im Übrigen durchaus gewisse Freiheitsgrade. Angst dürfe man nicht haben.  Vielmehr sei eine erhöhte Wachsamkeit gefordert.

In Straubing stehe man noch am Anfang der auf zwei bis drei Jahre avisierten Umstrukturierung. Sehr viel Konzeptarbeit drehe sich aktuell um das Thema Corona. Viel Zeit werde in die regelmäßigen umfangreichen Krisenstab-Besprechungen investiert, bei denen man sich auch mit den anderen Kliniken des Bezirks Niederbayern eng abstimme, um eine gemeinsame Linie zu finden, sofern dies möglich ist. Das BKH Straubing ist eben auch ein „besonderes Krankenhaus“. Janele: „Ich bin begeistert, was gerade das Bezirksklinikum Mainkofen und die Kollegen aus Landshut zuletzt alles auf die Beine gestellt und geleistet haben. Die Herausforderungen dort sind teilweise anders und ungleich höher als in Straubing“ Um an Covid-19 erkrankte Patienten isolieren und behandeln zu können, halte man inzwischen eine Therapiestation mit 20 Betten samt Schleuse vor,  habe diese entsprechend ausgestattet und die Mitarbeiter geschult. Bislang gebe es bei den Patienten keinen positiven oder Verdachtsfall. Nachdem ein Mitglied des Leitungskreises positiv getestet wurde (er arbeitet inzwischen wieder im BKH), hatten sich eine Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Quarantäne begeben müssen. Auch sie sind inzwischen wieder in Straubing präsent. Ein weiterer Mitarbeiter wurde zu Hause krank, ist aber auch bereits wieder genesen. Janele: "Wir hoffen sehr, dass wir von der Pandemie weitgehend verschont bleiben.“

Im Bild:
Dr. David Janele (Foto: privat)