Gut ist es dann, wenn sie nicht mehr gebraucht wird

Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Lisa Jemetz ist kurz nach Praxisöffnung vollbelegt

Freyung. „Am schönsten ist, wenn ich nicht mehr gebraucht werde.“ Dieser Satz ist für eine junge Frau, die sich eben selbstständig gemacht hat, einigermaßen ungewöhnlich. Nicht aber dann, wenn es sich um eine Kinder- und Jugendpsychotherapeutin handelt. Lisa Jemetz hat Ende Januar ihre Praxis in Freyung eröffnet und ist bereits vollbelegt. Dies konnte sie dem Freyunger Bürgermeister und Bezirkstagspräsidenten Dr. Olaf Heinrich berichten, der sie vor kurzem willkommen hieß. Nachdem der Bezirk Niederbayern mit der Einrichtung der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) in Waldkirchen auf den hohen Behandlungsbedarf gerade bei Kindern und Jugendlichen reagiert hat, ist es ihm nun ein Anliegen, dass die Ambulanz und die niedergelassenen Therapeuten gut zusammenarbeiten. „Die Ambulanz dient als eine erste Anlaufstelle für Betroffene. Für die teils monatelangen Therapien braucht es aber niedergelassene Therapeuten wie Lisa Jemetz“, so Heinrich, der deshalb sehr dankbar ist, dass die Kassenärztliche Vereinigung für den Landkreis Freyung-Grafenau diesen zusätzlichen Sitz ausgeschrieben hatte.

Die Ausschreibung wiederum las die 31-Jährige aus dem Landkreis Freyung-Grafenau durch Zufall. Nach ihrem Studium an der LMU hatte sie im vergangenen Jahr ihre fünfjährige Weiterbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in München abgeschlossen und wollte eigentlich ein paar Monate reisen. Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung und so landete sie wieder im Elternhaus in Neuschönau. „Ich dachte, ich schau mal was sich ergibt. Dann habe ich im Internet die Anzeige entdeckt.“ Dass sie die KV-Sitz bekommen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Plötzlich musste alles schnell gehen. Olaf Heinrich konnte ihr die Räume am Stadtplatz in Freyung anbieten, die für ihre Zwecke optimal waren.
Kurz nach der Eröffnung war die Patientenliste voll. „In München waren Wartezeiten von einem halben bis Dreivierteljahr üblich, aber dass es auch hier so einen hohen Bedarf gibt, das hat mich schon überrascht“, sagt Lisa Jemetz, die mittlerweile auch weiß, wie lange ihre Patienten schon auf eine Behandlung gewartet haben. „Die meisten haben eine längere Leidensgeschichte hinter sich, haben überall angerufen und alles Mögliche versucht, aber haben keinen Platz bekommen.“ Während dieser Zeit steigt bei den Betroffenen der Leidensdruck und die Symptome verstärken sich. Deshalb begrüßt die Therapeutin auch die Eröffnung der PIA in Waldkirchen durch den Bezirk Niederbayern, die in dem Netz an Hilfsangeboten neben Kinderärzten, Jugendamt, Caritas und den Niedergelassenen eine wichtige Rolle einnimmt.

Hauptthemen in der Altersgruppe sind der Umgang mit Medien und die Regulierung der eigenen Emotionen. Das sei auch bei ihren Münchner Patienten vor der Corona-Pandemie schon so gewesen. „Durch Corona treten diese Themen aber nun stärker auf.“ Um einen Zugang zu den Kindern und Jugendlichen zu finden, muss Lisa Jemetz immer auf der Höhe der Zeit sein. Soziale Medien gehören dazu genauso wie Computerspiele und Netflix. „Ziel ist es, dass die Patienten genug Kompetenzen erlernen und Ressourcen aufbauen, um selbst mit ihren Problemen umgehen zu können.“
Ist das geschafft, stellt Lisa Jemetz fest, dass die Kinder und Jugendlichen sie nicht mehr brauchen. „Dann ist es gut. Dieser Moment ist am schönsten“. Die Gefahr, dass sie deshalb einmal keine Patienten mehr haben wird, sieht sie nicht. „Das ist sehr unrealistisch. Unsere Welt wird nicht einfacher und jeder muss seinen Weg finden. Wir sind ja alle keine Roboter.“


Im Bild: Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich begrüßte Lisa Jemetz, die kürzlich in Freyung eine Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie eröffnet hat.
Foto: Bezirk Niederbayern